Der Ohrfeigenprozess

Diese Geschichte entstammt ebenfalls den Gerichtsakten und wurde im frühen 19. Jahrhundert gerne als Beispiel dafür erwähnt, das im 16. Jahrhundert neben den "unteren Volksclassen" auch die "Festlichkeiten des obderennsischen Adels leicht in Streith und Täthlichkeit ausartete". (Zitat: Anton Ritter von Spaun)

Am 3. Juli 1588 feierte ein gewisser Christoph von Schallenberg seine Hochzeit mit dem Fräulein Marusch von Lappiz auf dem öffentlichen Tanzplatz der Stadt Linz. Dazu eingeladen war auch Wolf Siegmund von Losenstein, welcher zu diesem Zeitpunkt erst 23 Jahre alt war, dennoch aber bereits hohes Ansehen im Adel genoss und im Dienste von Erzherzog Matthias v. Österreich stand.

Neben Wolf Siegmund war auch ein gewisser Hans Segger Gast bei dieser Hochzeit, der Anfang des 16. Jhds. aus Schwaben nach Österreich kam und behauptete, dass seine Vorfahren früher das Schloss Seck in der Nähe von Augsburg besessen hätten. Eine Tatsache die er aber nie beweisen konnte und so zweifelten so manche an der Wahrheit seiner Aussagen und war er im Adel nicht sonderlich beliebt.

Nun, bei eben dieser Hochzeit waren die geladenen Gäste um die Tanzfläche versammelt um den tanzenden Paaren zuzusehen. So auch Wolf Siegmund von Losenstein. Hinter ihm stand jener Hans Segger, der hinter dem großen Losensteiner allerdings nichts sehen konnte und versuchte, diesem über die Schulter zu blicken.

Dabei rempelte er den Losensteiner versehentlich an, worauf dieser ohne sich umzudrehen mit seiner Hand dem Hans Segger einen Schlag aufs rechte Ohr "hinter und überrucks gestrichen, also dass ers ain Zeit genuegsamb empfundten gespueret hat" versetzte.

Hans Segger verklagte daraufhin den Losensteiner vor allem deshalb auf eine Schadenersatzzahlung von 16.000 Gulden, weil dieser "ohne alle vorgehente Ursach', unberedt, und unverwarndt, da er sich am wenigsten gegen euch nichts feindlichs versehen, auch ungeacht seines Standts, und grauen Haars mit der rechten Hanndt, alß wolte er den Mantl über die Achsel werfen" zugeschlagen hat.

Die für die Klage zuständige Landeshauptmannschaft wies die Anklage aber zurück und teilte Hans Segger mit, dass er seine Anklage nur bei Erzherzog Matthias von Österreich einbringen könnte, da Wolf Siegmund von Losenstein in dessen Diensten stand.

Den Landesherrn mit dieser Lappalie zu befassen getraute sich Hans Segger nun aber auch nicht und so sann er auf private Rache für die erlittene Schmach.

Zu diesem Zweck lud er unter einem Vorwand Wolf Siegmund von Losenstein und seine Gattin zu sich nach Hause ein. Als diese dort eintrafen wollte er dem Losensteiner als Vergeltung ebenfalls einen Schlag aufs Ohr versetzen, traf ihn aber nur am Hals, worauf ihm Wolf Siegmund erneut eine "Maullschölln" (Maulschelle / Watsche) verpasste.

Nach diesem Vorkommnis schrieb Wolf Siegmund von Losenstein einen ziemlich derben Brief an Hans Segger. Darin teilte er ihm mit, dass wenn nicht die Frauen anwesend gewesen wären er ihn "den Sohn einer H...e wollt anders getractiert haben, als er gethan hat, sondern wollt ihn zu Stuckhen gehaut haben, welches er noch thain (tun) will".

Etwas weiter unten fordert er ihn dann sogar zum direkten Duell auf Leben und Tod auf: "...morgen umb 8 Uhr hinunder vor dasd Wasserthor, alda ich deiner wardten will, in dem Hemet mit dem Rapier, sollst auch aller meiner diener gefreyt sein, und mit mir allein zu thain haben..."

Hans Segger antwortete umgehend auf dieses Schreiben und begründete auf allerlei Art und Weise warum er dieses Duell nicht ausführen könne. Unter anderen war seine Ausrede, dass er und seine Frau eine Einheit seien und wenn er alleine kämpfen würde, wäre er nur eine Hälfte - somit wäre ein Duell nur dann gerecht wenn auch Wolf Siegmund (der zu dem Zeitpunkt noch ledig war) eine Frau hätte die bei dem Duell zusieht...

Kurzum - er drückte sich davor; wohl wissend, dass dieses Duell für ihm wohl nicht so gut enden würde.

Stattdessen verklagte er den Losensteiner erneut vor dem Landeshauptmann, welcher schließlich entschied, dass die Schuld des Losensteiners dann gesühnt wäre wenn ihm Hans Segger auch einen Maulstreich verpassen dürfe. Als der Losensteiner schließlich vor Gericht den Kopf hinhielt, begnadigte ihn der damalige Landeshauptmann Siegmund von Lamberg kurzerhand.

Quelle: Museal-Blatt / Zeitschrift für Geschichte, Kunst, Kultur und Technologie Österreichs ob der Enns und Salzburg vom 23.12.1840