Losensteiner Pferderüstung

Zu den wertvollsten Exponaten des Landeszeughauses Graz gehört seit 1814 ein aus dem frühen 16. Jhd. stammender Rossharnisch, ein so genanntes "Gelieger". Es ist das Einzige seiner Art in der Grazer Sammlung und stellt sowohl an Größe wie auch an Qualität und Verzierungsreichtum das herausragendste Schaustück der Grazer Rüstkammer dar:

Der Rossharnisch war eine Schenkung der steir. Adelsfamilie von Stubenberg, doch erst neuere Forschungen haben ergeben, dass dieses Prachtstück um das Jahr 1500 für Wilhelm von Losenstein aus der Linie zu Schallaburg & Losensteinleithen angefertigt wurde. Doch wie gelangte der Rossharnisch in den Besitz der Stubenberger?

Durch viele Hände...

Wie schon angeführt kann mit ziemlicher Sicherheit der begüterte Wilhelm von Losenstein auf Schallaburg und Losensteinleithen als Auftraggeber für den Rossharnisch angegeben werden. Er war seit 1501 kaiserlicher Rat Maximilians I. und diente diesem desöfteren in diplomatischen Missionen. Zudem wirkte er als Statthalter der Länder Wien, Österreich unter der Enns (NÖ), Steiermark, Kärnten und Krain als Stellvertreter des Kaisers. Als solcher war er auf jeden Fall in der Lage, einen derartig repräsentativen und kostspieligen Harnisch in Auftrag zu geben.

In späterer Folge dürfte der Harnisch dann im Erbwege an Wilhelms Sohn, dem später mit dem sog. "Losensteiner Turnier" berühmt gewordenen Sebastian von Losenstein übergegangen sein. Möglicherweise verwendete er den Rossharnisch sogar bei diesem Turnier! Der Anlass dazu - die Hochzeit Kaiser Ferdinands I. - hätte Anlaß genug dafür geboten. Die weiteren Losensteiner Besitzer waren:

- Achaz von Losenstein (Bruder des Sebastian)
Christoph II. von Losenstein (Sohn des Achaz)
Hans Wilhelm von Losenstein (Sohn des  Christoph II.)
 
und schließlich nach dem kinderlosen Tod Hans Wilhelms, dessen glückloser Neffe Georg Christoph von Losenstein.

Von Losenstein an Stubenberg

Eben dieser Georg Christoph von Losenstein erbte nach dem kinderlosen Tod seines Onkels Hans Wilhelm von Losenstein sämtliche Güter (so auch die von seinem Onkel prächtig ausgebaute Schallaburg und das Schloß Losensteinleithen), damit verbunden aber auch einen riesigen Schuldenberg. Doch anstelle diese Schulden langsam abzubauen, war Georg Christoph zu seiner Zeit berüchtig, selbst das Geld mit vollen Händen auszugeben. So saß er im Jahre 1610 auf einer unglaublichen Schuldenlast von über 120.000 Gulden!

Wenn man bedenkt, dass ein durchschnittliches Bauerngehöft damals mit einem Wert von ca. 400 Gulden angesetzt wurde, eine wahrlich gigantische Summe.

Er heiratete dann im Jahre 1610 Anna v. Stubenberg die einzige Tochter des reichen Georg von Stubenberg und hoffte so, seine Schuldenlast verringern zu können. Doch dieser Wunsch sollte sich nicht erfüllen. Im Gegenteil, die Gläubiger strengten mittlerweile Klagen gegen Georg Christoph an und so erklärte sich 1614 sein Schwiegervater Georg v. Stubenberg bereit seine Schuldenlast zu übernehmen. Im Gegenzug musste ihm Georg Christoph aber seine Schlösser Schallaburg & Losensteinleithen mit allen zugehörigen Besitzugen und Inventar übergeben.

Und mit diesem Inventar gelangte schlußendlich auch dieser Rossharnisch 1614 an die Familie von Stubenberg und wurde auf deren Schloß in Oberkapfenberg geschafft. Georg v. Stubenberg ließ zu diesem Zeitpunkt auch sein Familienwappen darauf anbringen, weshalb lange davon ausgegangen wurde, dass der Roßharnisch immer den Stubenbergern gehörte. Von Kapfenberg ging er dann schließlich 1814 als Geschenk des Grafen Karl von Stubenberg an das Landesmuseum Joanneum in Graz.

Der Harnisch als Kunstwerk

Bei diesem Pferdeharnisch handelt es sich um einen sog. "schweren Roßharnisch auf die deutsche Art" bestehend aus dem Rosskopf mit Stirnstachel, Wappenschild und Ohrenbechern, einem aus einzelnen Stahlreifen zusammengesetzten Halsschutz (Kanz), der vorderen gerundeten Brustplatte (Fürbug) mit seitlichen Streifbuckeln, den Flankenblechen und dem verstellbaren Kreuzgelieger.

Die Plattenausführung erfolgte in blankem Stahlblech und ist überaus gediegen gearbeitet. Innenseitig ist noch die alte Polsterung aus in Leinen eingeänhten Strowülsten erhalten. Der heute vorhandene Sattel ist jedoch nicht mehr Original, sondern wurde später ergänzt. 

Eine Eigenheit dieses Harnisches ist die von seinen breiten eingetieften Unterrändern heraussgetriebenen langen Zacken (sogenannte "Wolfszähne")

Alle Teile des Rossharnischs, ausgenommen der Unterteil des Halses, sind mit eingeschwärtzer Ätzmaleriei bedeckt. Diese Ätzmalereien stammen vom berühmten Augsburger Waffenätzer Daniel Hopfer und stellen das frühsteste bekannte Werk dieses Künstlers dar! Hopfer ist hierbei noch ganz von der Spätgotik geprägt.

Besichtigung

Der Rossharnisch ist wie eingangs erwähnt eines der Glanzstücke in der größten an ihrem Originalort erhalten gebliebenen Waffensammlung der Welt - dem Landeszeughaus in Graz. Dort kann dieser jederzeit besichtigt und bestaunt werden. Alle Details zu Öffnungszeiten und den jeweiligen Ausstellungen finden Sie hier:

http://www.museum-joanneum.at/landeszeughaus

Detailinformationen

Eine hervorragende Abhandlung und äußerst detailreiche Informationen finden sich in dem Aufsatz von Dr. Leopold Toifl (Wissenschaftlicher Leiter des Landeszeughaus Graz) und dem österr. Kunsthistoriker Peter Krenn. Darin wird sowohl Werdegang als auch die künstlerische Detailbetrachtung aufs Genaueste analysiert.

Mit freundlicher Genehmigung des Joanneum Graz stellen wir allen Interessierten diesen Aufsatz aus der Zeitschrift der Gesellschaft für Historische Waffen- und Kostümkunde als Download zur Verfügung:

Quelle

"Der Rossharnisch im Landeszeughaus Graz - Historie und kunstgeschichtliche Betrachtung" von Dr. Leopold Toifl und Peter Krenn / Waffen- und Kostümkunde, 47. Band, Jahrgang 2005, Heft 2

Spezieller Dank gilt hier dem Mitautor des Werkes Dr. Leopold Toifl für seine freundliche Kooperation und Hilfestellung!